Die ersten Tage im Camper: Von Erfurt bis an den Iseosee
Der Plan war eigentlich ganz einfach: ausschlafen, den Tag entspannt starten und dann in der Nacht die ersten Kilometer in Richtung Süden abreißen. Klingt herrlich organisiert, oder? Nun ja – Realität und Reisepläne haben selten denselben Kalender.
Um halb acht stand ich senkrecht im Bett. Kristin und Baby T. brauchten mich, Hund June musste raus, und nebenbei wartete noch ein Termin in der Stadt. Von „ausschlafen“ blieb nur ein müdes Schulterzucken. Willkommen in unserem ganz persönlichen Roadmovie.
Die Abholung in Erfurt – Vorfreude trifft auf erste Macken

Um 16 Uhr sollte der Camper in Erfurt bereitstehen. Zum Glück hatten sich meine Eltern angeboten, mich hinzubringen. Jeder, der jemals auf die Deutsche Bahn angewiesen war, weiß: Gerade dann, wenn es wichtig wird, fährt sie nicht wie geplant.
Nach einem Vormittag zwischen Baby, Hundespaziergang, Stadttermin und Großeltern-Kaffee stieg mein Stresspegel stetig. Doch wir kamen tatsächlich pünktlich los. Auf der Fahrt nach Erfurt stellte ich mir schon vor, wie wir unser neues Zuhause für drei Wochen übernehmen würden – sauber, aufgeräumt, voller Abenteuerlust.
Tja. Realität: Der Fiat Ducato stand da, Automatikgetriebe, solide Größe – aber nicht mehr der Jüngste. 75.000 Kilometer auf dem Tacho, ein paar Beulen und Kratzer hier und da. Roadsurfer wickelt alles digital ab: Check-in per Smartphone, Schäden selbst dokumentieren, Tutorial hatte ich vorher schon durchgeklickt. Praktisch, aber auch ein bisschen so, als würde man einen Gebrauchtwagenkauf auf eBay abwickeln.
Und dann kam der Dämpfer: Die Schiebetür war ohne Insektenschutz. Grund? Vormieter, Vollrausch, demoliert. Reparatur? Fehlanzeige. Sauberkeit? Sagen wir es so: frisch gewischt war da schon länger nichts mehr. Ich fühlte mich leicht veräppelt – aber was sollte ich tun? Der Zeitplan war eng, eine Alternative nicht in Sicht. Also: „Friss oder stirb.“ Unterschreiben, Schlüssel drehen, Motor starten.
Babybett-Drama und Heimtierausweis

Zurück in Leipzig wartete die nächste Probe. Camper beladen, Klamotten, Babyzeug, Hundekram – alles in Klappkisten vorbereitet. Kristin inspizierte das Gefährt und war wenig begeistert. Ihre Laune? Eher so mittel.
Dann der nächste Schlag: Das Babybett. Meine brillante Idee, mit etwas Pappe den Einstieg zum Heckbett zu blockieren, entpuppte sich als Lachnummer. Das Baby war inzwischen viel zu mobil. Kristin sah mich an, als wäre ich gerade für den Untergang der Titanic verantwortlich, schnappte sich das Auto und düste los Richtung BabyOne. Drei Minuten vor Ladenschluss rief sie mich an: „Die haben noch ein Gitter! Miss mal schnell!“ Ich stand also mit Zollstock im Camper, Baby auf dem Arm, und fluchte leise vor mich hin. Passt. Kristin kam mit dem Gitter zurück, wir bauten improvisiert um – und verloren weitere Nerven.
Um 21 Uhr wollten wir los. Um 22:15 Uhr rollten wir endlich vom Hof. Endlich Urlaub. Dachte ich.
Dann kam nach einer halben Stunde Fahrt die Frage: „Hast du eigentlich den Heimtierausweis für June eingepackt?“ Natürlich nicht. Und jeder Hundebesitzer weiß: An der Grenze kann das richtig Ärger geben. Also Wendung, zurück nach Hause, Ausweis holen. Mein Scherz: „Schön war’s, unser Urlaub – endlich wieder daheim!“ kam bei Kristin so gut an wie ein Regenschauer beim Picknick.
Erste Nacht: Rastplatz statt Dolce Vita

Endlich Richtung Süden, endlich Autobahn, endlich Urlaubsgefühl? Von wegen. Kurz vor München wurden meine Augen schwer. Sekundenschlaf? Keine Option, nicht mit Frau, Baby und Hund an Bord. Also Rastplatz Freising, Dachzelt auf, Heckbett für Mama und Kind.
Die erste Campernacht war alles andere als romantisch: kalt, feucht, Baby unruhig, Kristin hustend und schniefend, und wir beide mit der Frage im Kopf: „Was tun wir hier eigentlich?“ Dazu das Grundgeräusch von LKW-Motoren. Willkommen im Abenteuer.
Über den Brenner ins Pustertal – Hoffnung am Horizont

Am nächsten Morgen rafften wir uns auf. Vignette gekauft, an der Autobahn für freche 2 Euro pro Liter getankt, weiter Richtung Brenner. Kleine Pausen waren Pflicht: stillen, Hund bewegen, Kaffee tanken.
Der Brenner ist die klassische Alpenroute nach Italien. Historisch ein wichtiger Handelsweg, heute ein Symbol für Urlaubsträume – und Staus. Wir hatten Glück: halbwegs freie Fahrt.
Kristin fand über Park4Night einen Stellplatz in einem Agriturismo im Pustertal. Bedingung: 30 Euro im Hofladen einkaufen. Klingt nach Win-win – schlafen dürfen und Käse essen.
Unteregger Hof – Ziegenidylle mit Fliegeninvasion

Das Pustertal ist ein Bilderbuch-Tal: saftig grüne Wiesen, schroffe Dolomiten, alte Höfe. Der Unteregger Hof war genau so einer. Wir parkten direkt oberhalb des Ziegenstalls, Baby auf den Arm – und ab zu den Tieren.
Baby T. kennt Ziegen aus einem Soundbuch, aber live? Sie quietschte, lachte und machte Ziegengeräusche nach. Für diesen Moment lohnte sich jede Anstrengung.
Doch die Idylle hatte einen Haken: Fliegen. Viele Fliegen. Genauer gesagt: eine kleine Invasion, die direkt aus dem Ziegenstall kam. Im Camper summte es bald an allen Ecken. Klatschen, wedeln, schimpfen – wir waren plötzlich Teil einer slapstickreifen Szene. Unser erstes Abendessen im Camper? Pasta mit Ziegenragout – garniert mit dem Surren von Flügeln. Eine Insektenschutztür wäre Gold gewesen!
Trotz allem war der Hofladen ein Highlight: Käse direkt von den Ziegen, Joghurt fürs Baby, Nudeln und Ragout für uns. Wir sahen beim Melken zu, genossen den Blick ins Tal – und froren in der Nacht auf 1.200 Metern. Das Baby schniefte, Kristin hustete, ich drehte mich im Dachzelt. Die Laune? Unterirdisch.

Am nächsten Morgen packten wir mies gelaunt zusammen. Das Chaos im Camper, die Fliegen, das Wetter – es zerrte an den Nerven. Für einen kurzen Moment stand im Raum: Abbrechen. Doch wir entschieden: durchziehen.
Endlich Iseosee – und die Rückkehr der Urlaubsstimmung

Unterwegs kurzer Service-Stop: Abwasser ablassen, Frischwasser auffüllen, Toilette leeren. Überraschend simpel – und für mich der erste Moment, an dem ich dachte: „Okay, vielleicht kriege ich das Camperding langsam hin.“
Danach: auf nach Iseo. Der Iseosee liegt zwischen dem Gardasee und dem Comer See und gilt als Geheimtipp. Ruhiger, kleiner, familiärer – und in der Mitte die Monte Isola, die größte bewohnte Seeinsel Europas.
Die Anfahrt hatte es in sich: Serpentinen, Motorradfahrer, die die Strecke als Rennbahn nutzten, und unser Fiat, der sich keuchend die Höhenmeter hinaufquälte. Oben am Agriturismo La Tesa angekommen, wurden wir belohnt: Ein Panorama, das selbst den härtesten Kritiker verstummen lässt.

Wir bauten „Camp Foeba“ auf, kochten Pasta (wie könnte es anders sein), spielten eine Runde Kniffel und sahen die Sonne über dem See versinken. Und plötzlich war sie wieder da: die Urlaubsstimmung.
Fazit: Drama, Käse und Dolce Vita light
Die ersten Tage im Camper waren ein wilder Ritt: von Leipzig nach Erfurt, über Südtirol bis zum Iseosee. Zwischen Fliegeninvasion, kalten Nächten und Erkältungen gab es aber auch lachende Babys, frischen Käse, atemberaubende Landschaften und die Erkenntnis: Wir wachsen langsam hinein.
Manchmal bedeutet Abenteuer eben nicht perfekte Instagram-Motive, sondern Streit, Schnupfen und das Surren von Fliegen. Aber genau das macht die Geschichte aus, die wir eines Tages lachend weitererzählen werden